소설, 수필 모음

Die Nacht im Hotel

snooker 2012. 10. 12. 16:00

 

Die Nacht im Hotel

Erzählung von Siegfried Lenz

 

Der Nachtportier strich mit seinen abgebissenen rosa Fingerkuppen über eine Kladde, hob bedauernd die Schultern und drehte seinen Körper wiederholt zur linken Seite, wobei sich der Stoff seiner Uniform unter dem Arm spannte.

„Das ist die einzige Möglichkeit", sagte er.

„Zu so später Stunde werden Sie nirgendwo ein Einzelzimmer bekommen. Es steht Ihnen natürlich frei, in anderen Hotels nachzufragen; aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß wir, wenn Sie ergebnislos zurückkehren, nicht mehr in der Lage sein werden, Ihnen zu dienen. Das freie Bett in dem Doppelzimmer wird bis dahin bestimmt belegt sein."

„Gut", sagte Herr Schwamm, „ich nehme das Bett. Nur möchte ich immerhin wissen, mit wem ich das Zimmer zu teilen habe. Nicht aus Vorsicht, gewiß nicht; ich habe nichts zu fürchten. Ist mein Partner — Leute, mit denen man eine Nacht verbringt, könnte man doch fast Partner nennen — schon im Hause?"

„Ja, er ist da und schläft."

„Er schläft", wiederholte Schwamm nachdenklich, und ließ sich dann die Anmeldeformular geben, füllte sie gewissenhaft aus und reichte sie dem Nachtportier zurück ; dann ging er hinauf.

 

(Als Schwamm zu seinem Zimmer hinaufging, hatte er ein merkwürdiges Gefühl;

es war ihm zumute, als müßte er in einen alten, vergessenen Brunnen hinabspringen, dessen Boden nicht zu sehen war und der in seiner Dunkelheit mancherlei Geheimnisse bereithalten mochte.)

 

Unwillkürlich verlangsamte er, als er sich der Zimmertür mit der ihm genannten Zahl erblickte, seine Schritte, hielt den Atem an, in der Hoffnung, Geräusche, die der Fremde verursachen könnte, zu hören, und beugte sich dann zum Schlüsselloch hinab.

 

Das Zimmer war dunkel.

In diesem Augenblick hörte Schwamm jemanden die Treppe heraufkommen, und da galt es für ihn, zu handeln.

Er konnte fortgehen, selbstverständlich, und so tun, als ob er sich im, Korridor geirrt hätte; eine andere Möglichkeit bestand darin, in das Zimmer zu treten, welches er rechtmäßig eingewiesen worden war und im dessen zweiten Bett bereits ein Mensch schlief. 

Schwamm drückte die Klinke herab.

Er schloß die Tür wieder und tastete mit flacher Hand nach dem Lichtschalter. 

Da hielt er plötzlich inne; neben ihm - und er schloß sofort, dass da die Betten stehen müßten - sagte jemand mit einer dunklen, aber auch energischen Stimme :

„Halt! Bitte machen Sie kein Licht. Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie das Zimmer dunkel ließen."

„Haben Sie auf mich gewartet?" fragte Schwamm erschreckt.

Auf diese Frage erhielt er keine Antwort.

Statt dessen sagte der Fremde:

„Stolpern Sie nicht über meine Krücken, und seien Sie vorsichtig, dass Sie nicht über meinen Koffer fallen, der ungefähr in der Mitte des Zimmers steht. Ich werde Sie sicher zu Ihrem Bett dirigieren. Gehen Sie drei Schritte an der Wand entlang, und dann wenden Sie sich nach links, und wenn Sie wiederum drei Schritte getan haben, werden Sie den Bettpfosten berühren können."

 

Auf diese Weise erreichte Schwamm sein Bett, entkleidete sich und schlüpfte unter die Decke.

Er hörte die Atemzüge des anderen und spürte, daß er vorerst nicht würde einschlafen können.

„Übrigens", sagte Schwamm zögernd nach einer Weile, „mein Name ist Schwamm."

„So", sagte der andere.

„Ja."

„Sind Sie zu einem Kongreß hierhergekommen?"

„Nein. Und Sie?"

„Nein."

„Geschäftlich?"

„Das kann man nicht sagen."

„Ich habe wahrscheinlich den merkwürdigsten Grund, den je ein Mensch hatte, um in die Stadt zu fahren", sagte Schwamm.

Auf dem nahen Bahnhof rangierte ein Zug, und die Erde zitterte, und die Betten, in denen die Männer lagen, zitterten auch.

„Wollen Sie in der Stadt Selbstmord begehen?" fragte der andere.

„Nein", sagte Schwamm, „sehe ich denn so aus?"

„Ich weiß nicht, wie Sie aussehen", sagt der andere, „es ist dunkel."

Schwamm erklärte mit banger Fröhlichkeit in der Stimme:

„Gott bewahre, nein!- Ich habe einen Sohn, Herr... (der andere nannte seinen Namen nicht), einen kleinen Lausejungen, und seinetwegen bin ich hierhergefalhren."

„Ist er im Krankenhaus?"

„Wieso denn? Er ist gesund, ein wenig bleich zwar, das mag sein, aber sonst ein guter Schüler. Aber ich wollte Ihnen den Grund nennen, warum ich hier bin, hier, bei Ihnen in diesem Zimmer. Wie ich schon sagte, hängt das mit meinem Jungen zusammen. Er ist äußerst sensibel, mimosenhaft, reagiert bereits, wenn Schatten auf ihn fällt."

"Also ist er doch im Krankenhaus?"

„Nein", rief Schwamm, „ich sagte schon, daß er gesund ist, wohlauf in jeder Hinsicht, bis jetzt jedenfalls. Aber er ist gefährdet, dieser kleine Bengel hat ein Glas Seelchen, und darum ist er bedroht."

„Warum begeht er nicht Selbstmord?" fragte der andere.

„Aber hören Sie, ein Kind wie er, bei solch einem zarten Körper! Was veranlaßt Sie zu solchen Worten? Nein, mein Junge ist aus folgendem Grunde gefährdet: Jeden Morgen, wenn er zur Schule geht — er geht übrigens immer allein dorthin —, jeden Morgen also muß er vor einer Schranke stehenbleiben und warten, bis der Frühzug vorbei ist. Er steht dann da, der kleine Kerl, und winkt, winkt heftig und freundlich und verzweifelt."

„Ja, und?"

„Dann geht er in die Schule, und wenn er nach Hause kommt, ist er verstört und benommen und manchmal weint er auch. Er ist nicht imstande, seine Schularbeiten zu machen, er mag nicht spielen und nicht sprechen: Das geht nun schon seit Monaten so, jeden lieben Tag. Der Junge geht mir kaputt, er verwelkt mir unter meinen Blicken."

"Was veranlaßt ihn dazu?"

„Sehen Sie", sagte Schwamm, „das ist so merkwürdig: der Junge winkt, und, wie er zu Tode betrübt feststellt, winkt ihm keiner der Reisenden zurück, Und das nimmt er sich, so zu Herzen, dass wir, meine Frau und ich, die größten Befürchtungen haben. Er winkt, und keiner winkt zurück; man kann die Reisenden natürlich nicht dazu zwingen, und es wäre absurd und lächerlich, eine diesbezügliche Vorschrift zu erlassen, aber..."

„Und Sie, Herr Schwamm, wollen nun das Elend Ihres Jungen aufsaugen, indem Sie morgen den Frühzug nehmen, um dem Kleinen zu winken?"

„So ist es, Herr."

„Mich", sagte der Fremde, "gehen Kinder nichts an. Ich hasse sie und weiche ihnen aus, denn ihretwegen halbe ich — wenn mann genau nimmt — meine Frau, verloren. Sie ist bei ihrer ersten Geburt gestorben."

„Wie furchtbar", sagte Schwamm und stützte sich im Bett auf.

Eine angenehme Wanne floß durch seinen Körper; er spürte, dass er jetzt würde einschlafen können.